OLG Düsseldorf – Sachverständige Zeugen sind als Sachverständige zu entschädigen! (vgl. Beschluss vom 26.10.2010, Az.: 10 W 105/10)

Leitsätze der Entscheidung

  • Die Frage, ob eine Beweisperson als Zeuge oder als Sachverständiger anzusehen und zu entschädigen ist, ist weder davon abhängig, wie sie von der beweisführenden Partei bezeichnet und im Beweisbeschluss aufgeführt ist, noch davon, ob sie als (sachverständiger) Zeuge oder Sachverständiger geladen worden ist.
  • Entscheidend ist der sachliche Gehalt der Vernehmung und, wenn es zur Vernehmung nicht kommt, der sachliche Gehalt der der Beweisperson gestellten Aufgabe.
  • Der Sachverständige übermittelt die Kenntnis von Erfahrungssätzen oder beurteilt bestimmte Tatsachen aufgrund solcher Erfahrungssätze.
  • Der sachverständige Zeuge hingegen bekundet von ihm beobachtete Tatsachen oder Zustände aufgrund seiner früheren Wahrnehmungen, wobei er dies jedoch nur aufgrund seiner besonderen Fachkenntnisse vermag.

Sachverhalt / Entscheidung

Ein Sachverständiger wurde zu einem Termin beim Landgericht Wuppertal als sach-verständiger Zeuge geladen. Danach kam es zu einer Auseinandersetzung darüber, ob er als Zeuge oder als Sachverständiger zu vergüten sei. Die zuständige Kammer beim Landgericht billigte ihm lediglich eine Vergütung als Zeuge zu. Hiergegen legte der Sachverständige Beschwerde ein.

Mit Erfolg! Die dem Sachverständigen für die Teilnahme am Termin zustehende Vergütung wurde auf insgesamt 379,61 € festgesetzt. Die Eingabe des Antragstellers gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Wuppertal sei als Beschwerde gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässig. Sie wende sich mit Erfolg gegen die Abweisung seines Antrags, ihm für die Vorbereitung und Wahrnehmung des Termins eine Sachverständigenvergütung zu gewähren, wie er dies mit seiner Rechnung beantragt habe (vgl. Beschluss des OLG Düsseldorf vom 26.10.2010, Az.: 10 W 105/10). Zu Unrecht habe das Landgericht anstelle des einem Sachverständigen zustehenden Stundensatzes von 75,- € lediglich eine Zeugenentschädigung von 17,- € je Stunde zugebilligt.

Der Antragsteller könne für die Vorbereitung und Wahrnehmung des Termins eine Sachverständigenvergütung verlangen. Die Frage, ob eine Beweisperson als Zeuge oder als Sachverständiger anzusehen und zu entschädigen sei, sei weder davon abhängig, wie sie von der beweisführenden Partei bezeichnet und im Beweisbeschluss aufgeführt sei, noch davon, ob sie als (sachverständiger) Zeuge oder Sachverständiger geladen worden sei. Entscheidend sei der sachliche Gehalt der Vernehmung und, wenn es zur Vernehmung nicht komme, der sachliche Gehalt der der Beweisperson gestellten Aufgabe. Der Sachverständige übermittle die Kenntnis von Erfahrungssätzen oder beurteile bestimmte Tatsachen aufgrund solcher Erfahrungssätze. Der sachverständige Zeuge hingegen bekunde von ihm beobachtete Tatsachen oder Zustände aufgrund seiner früheren Wahrnehmungen, wobei er dies jedoch nur aufgrund seiner besonderen Fachkenntnisse vermöge.

Gemessen an diesen Maßstäben sei der Antragsteller als Sachverständiger vernommen worden. Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung gehe hervor, dass er nicht nur zu Feststellungen tatsächlicher Art gehört worden sei, sondern darüber hinaus auch dazu Stellung nehmen sollte, ob die Gesamtheit der festgestellten Schäden auf das fragliche Unfallgeschehen zurückgeführt werden könne. Hierzu habe er aufgrund seiner sachverständigen Kenntnis von Erfahrungssätzen Tatsachen beurteilen müssen. Dies spiegele sich in den Ausführungen zur Plausibilität des vom Beklagten zu 1) geschilderten Unfallgeschehens wider. Damit habe man von ihm in der Vernehmung die sachverständige Bewertung von Tatsachen verlangt, nicht lediglich die Bekundung von Tatsachen aufgrund sachverständiger Kenntnis.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts komme es unter den gegebenen Umständen nicht darauf an, ob das Gericht die Ausführungen des Sachverständigen für die Entscheidung verwertet habe. Nach § 8 Abs. 1 erhielten Sachverständige für ihre sachverständige Leistung ein Honorar nach §§ 9 bis 11 JVEG und zwar grundsätzlich unabhängig davon, ob die Leistung für die Entscheidung verwertet werde. Den Stundensatz habe der Antragsteller zutreffend der Honorargruppe 6 entnommen. Neben dem Stundenaufwand sei eine Entschädigung für die Fahrtkosten festzusetzen. Auf den sich ergebenden Nettobetrag von EUR 300,- + EUR 19,- sei die Mehrwertsteuer hinzuzurechnen, was der angefochtene Beschluss nicht berücksichtigt habe.

Sachverständigenpraxis

Sachverständige Zeugen sind keine Sachverständigen im Sonderangebot oder „Billigsachverständige“. Ein sachverständiger Zeuge (§ 414 ZPO) ist jemand, der über vergangene Tatsachen oder Zustände berichtet, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war. Danach kann sachverständiger Zeuge nur sein, wer eigene Wahrnehmungen über ein vergangenes Ereignis gemacht hat. Ein sach-verständiger Zeuge unterscheidet sich vom Sachverständigen dadurch, dass er nicht ersetzbar ist. Er unterscheidet sich vom Zeugen dadurch, dass die Wahrnehmung nur wegen der besonderen Sachkunde gemacht werden konnte. Entscheidend ist für die Vergütung nicht, wie der sachverständige Zeuge vom Gericht bezeichnet wird. Entscheidend für den einschlägigen Stundensatz ist der Inhalt des Gerichtsauftrages und vor allem der Inhalt der Vernehmung. Ob ein sachverständiger Zeuge als Sach-verständiger oder als Zeuge vergütet wird, richtet sich dabei jedoch nicht nach dem Schwerpunkt der Vernehmung. Bereits eine Frage ist dafür ausreichend, dass der sachverständige Zeuge auch für seine Vorbereitungszeit und seine Reisezeiten als Sachverständiger vergütet wird.

Nicht maßgeblich ist, wie der herangezogene Fachkundige von dem Beweisführer bezeichnet und danach vom Gericht im Beweisbeschluss aufgeführt worden ist. Die Art der Entschädigung hängt auch nicht davon ab, ob die fachkundige Person als Zeuge, Sachverständiger oder sachverständiger Zeuge geladen worden ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob das Gericht von einer Einvernahme als Sachverständiger absehen möchte, weil es sich bei dem sachverständigen Zeugen um den Privatgutachter einer Partei handelt, da dann die Gefahr einer Ablehnung (§ 406 ZPO) bestehen würde. Auch ein solcher Privatgutachter ist als Sachverständiger zu entschädigen, wenn er tatsächlich Schlussfolgerungen gezogen, Wertungen abgegeben oder Fachwissen vermittelt hat (vgl. OLG München, Beschluss vom 29.4.1988, Az.: 11 W 1362/88).

Erkennt der Sachverständige bereits auf seiner Ladung, dass er als Zeuge oder sachverständiger Zeuge gehört werden soll, obwohl er in dem Rechtsstreit keine eigenen Wahrnehmungen bzw. Beobachtungen gemacht hat, so sollte er das Gericht schon vorab schriftlich darauf hinweisen. Dieser Fall kann z. B. dann eintreten, wenn der Sachverständige für eine Partei anhand eines Aktenauszugs oder zur Verfügung gestellter Unterlagen eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben hat und diese in den Rechtsstreit eingeführt wurde. Erhält er dann eine Ladung des Gerichts als sachverständiger Zeuge, kann der Sachverständige diese Rolle in der Regel nicht ausfüllen, da er aufgrund seines Fachwissens lediglich im Nachhinein Rückschlüsse gezogen hat.

Schließlich trägt der Vorsitzende des zuständigen gerichtlichen Spruchkörpers die Verantwortung dafür, dass ein lediglich als sachverständiger Zeuge geladener Fachmann seine Aussage auf bloße Tatsachenbekundungen und Zustandsbeschreibungen beschränkt. Hierzu kann der sachverständige Zeuge vorher belehrt und ein nicht verlangtes Sachverständigenurteil zurückgewiesen werden. Schließlich sollten dann auch von den Parteien oder ihren Rechtsanwälten gestellte Sachverständigenfragen nicht zugelassen werden.

Datum

2012