LG Kiel: Befangenheit des Sachverständigen bei Link zur Homepage eines beteiligten Rechtsanwalts! (Beschluss vom 24.02.2009, Az. 11 O 43/06)

Leitsätze der Entscheidung

  • Ein Link auf der Homepage des Sachverständigen zur Homepage eines verfahrensbeteiligten Rechtsanwalts begründet die Besorgnis der Befangenheit.
  • Ein Sachverständiger kann wie ein Richter (§ 406 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn vom Standpunkt der Partei aus objektiv und vernünftig betrachtet ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegenüber der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen.

Sachverhalt / Entscheidung

Im einem erstinstanzlichen Rechtsstreit beim Landgericht Kiel (Az. 11 O 43/06) lehnten die Beklagten den Sachverständigen als befangen ab, nachdem ihr Prozessbevollmächtigter bei einer Überprüfung des Tätigkeitsfeldes des Sachverständigen anlässlich einer Beauftragung zur Erstellung eines ergänzenden Gutachtens eine Internetrecherche durchführte. Dabei stellte er fest, dass der Sachverständige auf seiner Homepage unter der Überschrift “Folgende interessante Links habe ich für Sie zusammengestellt:” unter dem Punkt “Rechtsanwälte” neben einer weiteren Kanzlei die gegnerischen Prozessbevollmächtigten benannte.

Dem Ablehnungsgesuch wurde mit Beschluss vom 24.02.2009 stattgegeben. Für eine Besorgnis der Befangenheit genügen zwar gelegentliche berufliche Kontakte zu der gegnerischen Prozesspartei oder deren Prozessbevollmächtigtem anders als eine ständige intensive geschäftliche Beziehung nicht. Durch das Aufführen von nur zwei Rechtsanwaltskanzleien auf seiner Website habe der Sachverständige für den unbefangenen Betrachter jedoch den Eindruck einer besonderen Verbundenheit mit diesen Anwälten geschaffen. Wegen der begrenzten Auswahl der genannten Anwälte enthalte der Hinweis auf diese Anwälte eine positive Eignung im Vergleich zu anderen Anwälten. Der von dem Sachverständigen angebotene Service bestehe also gerade in der Information über besonders gute und sachkundige Anwälte. Daher könne eine Partei nachvollziehbar die Befürchtung haben, dass der Prozessvortrag ihrer Rechtsanwälte, die sich nicht derselben fachlichen Wertschätzung durch den Sachverständigen erfreuen, nicht mit dem gleichen Gewicht von dem Sachverständigen zur Kenntnis genommen würden.

Sachverständigenpraxis

Es handelt sich hierbei um einen weiteren Fall, in dem eine Internetrecherche zu einem Befangenheitsantrag gegen einen Sachverständigen geführt hat. Der Gerichtsgutachter wird in der Praxis zunehmend zum „gläsernen Sachverständigen“. Kommen Sachverständige in ihren Gutachten zu „unliebsamen“ Ergebnissen, so erfolgt eine Überprüfung der möglichen Beziehungen zur Gegenseite über Google oder andere Internet-Suchmaschinen. Es ist erstaunlich, welche Ergebnisse eine solche (Selbst-) Überprüfung im Einzelfall liefert. Es ist daher wichtig, dass der Gerichtssachverständige bereits bei der Auftragserteilung sorgfältig überprüft, welche persönlichen und geschäftlichen Beziehungen zu den Prozessparteien, deren Rechtsanwälten, den beteiligten Versicherungen, den eventuellen Vorgutachtern bzw. Privatgutachtern und dem Begutachtungsobjekt bestehen. Durch einen frühzeitigen Hinweis auf solche Beziehungen wird eine spätere Ablehnung wegen Befangenheit verbunden mit den entsprechenden Nachteilen (Verzögerung des Prozesses, Unverwertbarkeit des Gutachtens, ggfls. Verlust der Vergütung, etc.) vermieden. Bei einer solchen Selbstüberprüfung ist es wichtig, auf die Perspektive der Parteien abzustellen. Es geht dabei nicht darum, ob der Sachverständige wirklich befangen ist oder ob er sich befangen fühlt. Ein Sachverständiger kann wie ein Richter (§ 406 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn vom Standpunkt der Partei aus objektiv und vernünftig betrachtet ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegenüber der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Wird ein Ablehnungsantrag nach einem frühzeitigen Hinweis des Sachverständigen auf bestehende Beziehungen erst nach Vorliegen des Gutachtens gestellt, so ist er in der Regel als unzulässig zu verwerfen.

§ 406 Abs. 2 S. 1 und 2 ZPO enthält nämlich folgende Regelung:

Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen.

Zwar mag der Link auf der Homepage des Sachverständigen als allgemeiner Service für die Besucher gedacht gewesen sein. Dennoch kann von solchen Links auf den Internetseiten von Gerichtssachverständigen nur abgeraten werden. Die so geschaffene Verbindung zu einer Kanzlei begründet, gerade wenn nur wenige Rechtsanwälte so empfohlen werden, stets die Besorgnis der Befangenheit.

Abschließend soll zu dieser Thematik noch darauf hingewiesen werden, dass der Sachverständige mit seiner eigenen Homepage zu einem Diensteanbieter im Sinne des Telemediengesetzes wird und dessen Regelungen zu beachten hat. § 5 TMG enthält hierzu eine Liste von Pflichtangaben:

  • Name und Anschrift der Niederlassung,
  • bei juristischen Personen die Vertretungsberechtigten,
  • E-Mail Adresse bzw. Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation ermöglichen,
  • Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde und Bestellungskörperschaft sowie
  • bei Vorliegen einer entsprechenden Eintragung, die Angabe des Handelsregisters, Vereinsregisters, Partnerschaftsregisters oder Genossenschaftsregisters mit der  entsprechenden Registernummer.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Wortlaut des § 5 Abs. 1 TMG Bezug genommen. Die Vielzahl an Pflichtangaben sollte jedoch kein unüberwindbares Hindernis für eine eigene Homepage des Sachverständigen sein, die heute für den Sachverständigen Standard ist.

Datum

2012