Kammergericht Berlin: Keine Vergütung für Wiedergabe des Akteninhalts und Stellungnahme des Sachverständigen zum Ablehnungsgesuch! (Beschluss vom 26.1.2010, Az.: 19 AR 2/09)

Leitsätze der Entscheidung

  • Ein Sachverständiger verliert seinen Entschädigungsanspruch nur dann, wenn das Gutachten objektiv unbrauchbar ist und er dies zumindest grob fahrlässig verursacht hat.
  • Wenn das in der Hauptsache zuständige Gericht sein Gutachten als verwertbar ansieht und seine Entscheidung darauf stützt, sind die Kosteninstanzen gehindert die Verwertbarkeit erneut zu prüfen.
  • Der für eine Wiedergabe des Akteninhalts und eine Stellungnahme zu einem Ablehnungsgesuch entstandene Zeitaufwand des Sachverständigen ist nicht vergütungsfähig.

Sachverhalt / Entscheidungen

Beim Kammergericht Berlin legte eine Partei nach Abschluss ihres Verfahrens eine Erinnerung gegen ihre Kostenrechnung ein. Diese Kostenrechnung beinhaltete unter anderem Sachverständigenkosten von über 5.000,- EUR. Zur Begründung der Erinnerung wurde ausgeführt, die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens und die Entschädigung des Sachverständigen insgesamt stellten eine falsche Sachbehandlung durch das Gericht dar.

Die Erinnerung hatte nur in einem geringen Umfang Erfolg (Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 26.01.2010, Az.: 19 AR 2/09). Allenfalls in der Entschädigung des Sachverständigen könne eine fehlerhafte Sachbehandlung durch das Gericht liegen. Dem Grunde nach sei der Sachverständige für seine Tätigkeit zu vergüten. Ein Verlust des Entschädigungsanspruches des Sachverständigen sei nur dann gerechtfertigt, wenn das Gutachten objektiv unbrauchbar sei und er dies zumindest grob fahrlässig verursacht habe. Davon könne im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Wenn nämlich das in der Hauptsache zuständige Gericht ein Gutachten ausdrücklich als verwertbar ansehe und zudem seine Entscheidung darauf stütze, seien die Kosteninstanzen gehindert, die Verwertbarkeit erneut zu prüfen.

Lediglich eindeutig überflüssige Tätigkeiten des Sachverständigen seien nicht vergütungsfähig. Dazu gehöre die hier im Gutachten enthaltene umfangreiche Wiedergabe des Akteninhalts, da dieser den Beteiligten bereits bekannt gewesen sei. Der Sachverständige habe den bei seiner Beauftragung vorliegenden Sach- und Streitstand auf insgesamt zehn Seiten geschildert. Der Senat schätzte den dadurch entstandenen nicht vergütungsfähigen Zeitaufwand auf vier Stunden. Die vom Sachverständigen weiter abgerechneten 267,55 € könnten nicht angesetzt werden, da insoweit auch kein Vergütungsanspruch bestehe. Gegenstand der Abrechnung sei insoweit die Stellungnahme des Sachverständigen zu dem gegen ihn gerichteten Ablehnungsgesuch. Der für eine Stellungnahme zu einem Ablehnungsgesuch entstandene Zeitaufwand sei nicht erstattungsfähig, denn die zu vergütende Leistung des Sachverständigen bestehe in der Erstattung des Gutachtens. Nicht umfasst seien aber diejenigen Tätigkeiten, die das rechtliche Grundverhältnis zwischen dem Sachverständigen einerseits sowie Gericht und Parteien andererseits betreffen. Soweit ein Sachverständiger zu einem Ablehnungsantrag Stellung nehme, betreffe dies seine prozessuale Grundstellung, nicht seine Tätigkeit als fachkundiger Gehilfe des Richters im Rahmen der Beweisaufnahme.

Sachverständigenpraxis

Die im vorliegenden Fall vorgenommenen Kürzungen der Sachverständigenvergütung sind zum Teil wenig überzeugend. Zumindest der Zeitaufwand für eine knappe Wiedergabe des Akteninhalts, soweit sie für das Verständnis des Gutachtens erforderlich ist, dürfte als erforderlich anzusehen sein. Zudem ist eine Stellungnahme des Sachverständigen zu fachlicher Kritik in einem Befangenheitsantrag zu vergüten, wenn der Befangenheitsantrag dem Sachverständigen einschränkungslos zur Stellungnahme übermittelt worden ist. Es ist wichtig, dass Sachverständige in solchen Fällen nicht sofort klein beigeben und auf ihre Vergütung verzichten. Denn nur so wird eine Veränderung der für Sachverständige in Bau- und Architektensachen derzeit wenig befriedigen Rechtsprechung zu diesem Thema erreicht werden können. Bedauernswerterweise hat auch das OLG Dresden (Beschluss vom 29.03.2010, Az.: 3 W 319/10) entschieden, dass ein Sachverständiger für eine eingereichte gutachterliche Stellungnahme keine Vergütung verdient, wenn er vom Gericht Gelegenheit zur Äußerung zum Befangenheitsgesuch einer Partei erhält, die ihn wegen fachlicher Gutachtenmängel und „wissentlich falscher Darstellung selbst einfachster Sachverhalte“ abgelehnt hat.

In diesem Fall hatte der Sachverständige daraufhin eine umfangreiche Stellungnahme eingereicht, die er oberhalb seiner Unterschrift selbst als Gutachten bezeichnete und mit 2.086,18 € in Rechnung stellte. Nach Auffassung des OLG Dresden habe der Sachverständige die Zusendung der Ablehnungsschrift mit dem Zusatz, es bestehe Gelegenheit zur Äußerung binnen dreu Wochen, nicht als neuen oder ergänzenden Gutachtenauftrag sondern nur dahin verstehen dürfen, dass ihm die Möglichkeit eingeräumt werde, zum Ablehnungsgesuch Stellung zu nehmen, bevor das Gericht über das Gesuch entscheide. Das Urteil und der das Ablehnungsgesuch zurückweisende Beschluss ließen im Übrigen erkennen, dass das Landgericht für beide Entscheidungen auf die umfangreiche Stellungnahme des Sachverständigen nicht angewiesen gewesen sei und sie auch tatsächlich nicht sichtbar verwertet habe.

Auch diese Entscheidung ist für Sachverständige wenig befriedigend. Zwar sollte es unter Sachverständigen allgemein bekannt sein, dass in der Regel fachliche Fehler keine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit begründen. Demzufolge könnte man annehmen, Sachverständige sollten sich in der Regel nicht zu fachlicher Kritik äußern und diese „stoisch“ hinnehmen. Es ist jedoch zu bedenken, dass eine Vielzahl von Fehlern doch eine Besorgnis der Befangenheit begründen kann (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9.11.2009, Az.: 14 W 43/09). Infolge dessen ist es verständlich, dass sich Sachverständige in der Regel verpflichtet fühlen eine umfassende Stellungnahme zu ihnen übersandten Befangenheitsgesuchen abzugeben. Sollte das Gericht daher nach Lektüre eines Ablehnungsgesuchs davon ausgehen, die dortige fachliche Kritik rechtfertige keine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, könnte es die „Gelegenheit zur Äußerung“ auf andere, weniger aufwendig zu kommentierende Befangenheitsgründe beschränken. Soweit es zur sachlichen Prüfung der Befangenheitsgründe nämlich nicht erforderlich ist, sollte eine Anhörung des Sachverständigen ganz unterlassen werden, da § 44 Abs. 3 ZPO, anders als bei Ablehnungsgesuchen gegen Richter, wo die Einholung einer dienstlichen Stellungnahme zwingend vorgeschrieben ist, nicht entsprechend gilt. Dadurch könnte den ohnehin in der Regel stark arbeitsbelasteten Sachverständigen zumindest viel kostenloser Aufwand erspart werden. Wenn der Sachverständige jedoch fachliche Äußerungen abgeben musste, sollten diese vergütet werden und zwar unabhängig davon, ob sie später „sichtbar“ verwertet werden. Denn auch dies kann der Sachverständige – anders als das zuständige Gericht – vor Abgabe der Stellungnahme kaum beurteilen. Eine Möglichkeit zum Selbstschutz der Sachverständigen könnte auch darin bestehen, dass bei Übersendung von umfangreichen Ablehnungsgesuchen, die vor allem fachliche Kritik beinhalten, das Gericht gebeten wird, mitzuteilen, ob auch zu der fachlichen Kritik Stellung genommen werden soll. Gegebenenfalls sollte der Sachverständige darauf hinweisen, dass solche Auskünfte dann auch wie ein Ergänzungsgutachten einen Vergütungsanspruch nach sich ziehen.

Datum

2012