Leitsätze der Entscheidung
- Wird in einem Befangenheitsantrag fachliche Kritik an dem Sachverständigen geübt, so ist es für ihn zwingend notwendig, sich fachlich mit den Einwänden auseinanderzusetzen.
- Diese Leistung entspricht einem Ergänzungsgutachten und muss von dem zuständigen Gericht in der späteren Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO verwertet werden, sodass der Sachverständige die volle Vergütung erhält.
- Wird ein Ablehnungsantrag des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit allein mit seiner als nicht ausreichend dargestellten fachlichen Qualifikation begründet, wird kein sachlicher Grund erkennbar, dem Sachverständigen eine Entschädigung für seine gutachterliche Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch zu versagen.
Sachverhalt / Entscheidungen
In einem selbständigen Beweisverfahren vor dem LG Köln lehnte einer der Antragsgegner den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung führte er aus, auch dessen siebtes Teil-Schadensgutachten sei fachlich unverwertbar. Den Antragsschriftsatz übersandte das Landgericht dem Sachverständigen zur Stellungnahme. Auf mehreren Seiten setzte dieser sich in fachlicher Hinsicht mit den Einwendungen des Antragsgegners auseinander. Hierfür stellte er 608,09 € in Rechnung. Das Landgericht wollte diesen Betrag anweisen. Der Bezirksrevisor trat dem entgegen, da das Erstellen der Stellungnahme nicht Teil der sachverständig zu erbringenden Leistung sei. Dennoch setzte das Landgericht die Entschädigung antragsgemäß fest. Zur Begründung führte das Landgericht aus, eine Vergütung sei jedenfalls dann zuzubilligen, wenn sich der Befangenheitsantrag auf den Inhalt des Gutachtens beziehe und der Sachverständige dazu ausschließlich in fachlicher Hinsicht Stellung nehme.
Hiergegen richtete sich der Bezirksrevisor mit seinem Rechtsmittel. Er war der Ansicht, die Stellungnahme des Sachverständigen erfolge richtigerweise nur zur Frage der Parteilichkeit und allein in diesem Zusammenhang zur Sachfrage. Deshalb könne diese Tätigkeit nicht Teil seiner sachverständig zu erbringenden Leistung sein.
Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem zuständigen Senat des OLG Köln zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beschwerde des Bezirksrevisors hatte keinen Erfolg. Der Senat vermochte der wohl überwiegend vertretenen Ansicht, dass der Sachverständige in einem solchen Fall nicht zu entschädigen sei, weil die Stellungnahme kein Teil der von ihm geforderten Sachverständigenleistung sei, in dieser Absolutheit nicht zu folgen. Nach Auffassung des zuständigen Senats sei im Einzelfall eine Differenzierung danach vorzunehmen, ob der Antrag, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, mit dem persönlichen Verhalten des Sachverständigen begründet worden sei, etwa wegen Äußerungen gegenüber den Prozessbeteiligten, oder alleine mit seiner als nicht ausreichend dargestellten fachlichen Qualifikation. Werde seine Stellungnahme in Frage gestellt, sei es für den Sachverständigen zwingend notwendig, dass er sich fachlich mit den Einwänden des Antragstellers auseinandersetze, mithin dieselbe Leistung erbringen muss, als wenn er – wie in einem Ergänzungsgutachten – vom Gericht nach Einwänden einer oder beider Parteien aufgefordert werde, seine zuvor gemachten gutachterlichen Darlegungen zu erläutern. Da darüber hinaus davon auszugehen sei, dass das Gericht die fachlichen Ausführungen des Sachverständigen in einer derartigen Stellungnahme bei seiner späteren Beweiswürdigung nicht nur verwerten werde, sondern im Hinblick auf § 286 ZPO sogar verwerten müsse, werde kein sachlicher Grund erkennbar, den Sachverständigen in einem Fall wie dem vorliegenden die Entschädigung ausnahmslos zu versagen.
Die Argumentation der herrschenden Meinung, die Stellungnahme stelle keine entschädigungspflichtige Tätigkeit des Sachverständigen in seiner Rolle als fachlicher Helfer des Gerichts dar, sei als zu formal abzulehnen und werde einem Lebenssachverhalt wie dem vorliegenden nicht gerecht. Auch die Entscheidung des BGH vermittele keine andere Handhabe. Denn sie verhalte sich nicht zu der vom Senat vorgenommenen Differenzierung. Insbesondere lasse sich ihr nicht entnehmen, dass die Vergütung auch dann auszuscheiden habe, wenn die Tätigkeit des Sachverständigen dem originären Gutachtenauftrag zu unterstellen sei.
Sachverständigenpraxis
Eine für Sachverständige sehr erfreuliche und wohl auch zutreffende Entscheidung. Nachdem zuletzt das OLG Schleswig (vgl. DABregional 10/09, S.13f.) dem Sachverständigen für die Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch eine Zeugenentschädigung zugebilligt hat, geht der vorliegende Beschluss noch einen Schritt weiter und gewährt dem abgelehnten Sachverständigen die volle Vergütung. Entscheidender Anknüpfungspunkt für einen Vergütungsanspruch des Sachverständigen ist nach beiden Entscheidungen die gerichtliche Aufforderung an den Sachverständigen, zu einem Befangenheitsgesuch eine Stellungnahme abzugeben. Nun muss weiter differenziert werden. Bezieht sich die Stellungnahme auf die persönliche Wahrnehmung des Sachverständigen hinsichtlich der Umstände, auf die sich das Ablehnungsgesuch stützt, kommt nach dem Beschluss des OLG Schleswig immerhin eine Zeugenvergütung in Betracht. Wird jedoch das Ablehnungsgesuch allein auf die angeblich fehlende fachliche Qualifikation des Sachverständigen gestützt und werden nur fachliche Vorhaltungen gemacht, so gebührt dem Sachverständigen für sein „Quasi-Ergänzungsgutachten“ die volle Vergütung. Im Hinblick auf und gegebenenfalls unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Köln sollten Sachverständige einen solchen Anspruch auch generell in Rechnung stellen und nicht aus einem falsch verstandenen Harmoniebedürfnis auf ihre Vergütung verzichten. So ist nämlich wenigstens ihre diesbezüglich ohnehin in der Regel unerfreuliche Tätigkeit nicht völlig umsonst. Zudem können auf diesem Wege weitere positive Gerichtsentscheidungen erstritten und endlich eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung erzielt werden. Schließlich mag dies den einen oder anderen Rechtsanwalt dazu bewegen, etwas zurückhaltender mit seinen „unaufschiebbaren Anträgen“ umzugehen.
Zwar könnten besonders findige Kostenbeamten argumentieren, einem Gerichtssachverständigen müsse bekannt sein, dass fachliche Kritik ein Befangenheitsgesuch normalerweise nicht rechtfertigt, sodass insoweit eine Stellungnahme nicht erforderlich ist. Zudem hatte das Gericht den Sachverständigen auch nicht mit einem Ergänzungsgutachten beauftragt. Eine solche Sichtweise geht jedoch über die normalen und zumutbaren Anforderungen an einen Gerichtsgutachter hinaus. Wird ihm ein Ablehnungsgesuch ohne gerichtliche Einschränkung zur Stellungnahme übersandt, muss er davon ausgehen, dass er sich zu allen Punkten äußern soll. Insoweit obliegt es dem Gericht selbst in dem Übersendungsschreiben, eine Begrenzung vorzunehmen. Ansonsten ist es dem Sachverständigen gerade bei Stellungnahmen zu den nicht selten weit ausschweifenden Befangenheitsgesuchen kaum zumutbar, eine solche, häufig komplizierte Differenzierung vorzunehmen.
Datum
2012