Leitsätze der Entscheidung
- Die Verwertung von Fotos einer Partei zu Illustrationszwecken im Sachverständigengutachten begründet keine Befangenheit.
- Dies gilt auch dann, wenn der Sachverständige die Fotos ohne Beteiligung der Gegenpartei eigenmächtig erfordert hat.
Sachverhalt / Entscheidung
Die Klägerin nahm das beklagte Unternehmen aufgrund einer angeblichen Vertragspflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch. Nach Vorlage des Gutachtens wurde die Sachverständige von der Klägerin als befangen abgelehnt. Zur Begründung führte die Klägerin aus, dass die Beklagtenseite der Sachverständigen fünf Fotografien übermittelt habe, die ohne Kenntnis der Klägerin im Gutachten verwertet worden seien. Dies habe zu einem unrichtigen Gutachten geführt. Das zuständige Landgericht Cottbus wies den Befangenheitsantrag zurück. Durch die Fotografien sei lediglich ein Herstellungsprozess illustriert worden. Daher sei es auch für die Klägerin erkennbar gewesen, dass die Verwertung der Fotografien ohne Einfluss auf das Ergebnis der Begutachtung gewesen sei. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin sofortige Beschwerde beim OLG Brandenburg ein.
Das OLG wies die sofortige Beschwerde zurück. Zwar müsse ein Sachverständiger bei seinen Ermittlungen regelmäßig beide Parteien hinzuziehen und ihnen Gelegenheit zur Mitwirkung geben. Dies sei vor allem bei der Durchführung von Ortsterminen und der Beschaffung von unmittelbar beweiserheblichem Material von besonderer Bedeutung. Im vorliegenden Fall habe die Sachverständige die Fotos jedoch lediglich zu Illustrationszwecken in ihr Gutachten aufgenommen. Schlussfolgerungen aus den Fotografien habe sie nicht gezogen. Zudem habe sie in dem Gutachten die Quelle der Fotografien ungefragt offen gelegt. Somit sei ihr Vorgehen als eine „nicht schwerwiegende Unbeholfenheit oder Ungeschicklichkeit„ zu werten. Es begründe jedoch aus Sicht einer vernünftigen Partei nicht den Schluss, dass die Sachverständige ihr mit Vorbehalten gegenüberstehe.
Praxishinweis
Nur selten sind Parteien, deren Behauptungen und Auffassungen in einem Gutachten keine Bestätigung finden, einsichtig. In der Regel fühlen sich diese Parteien benachteiligt und suchen nach Wegen, das für sie ungünstige Gutachten aus der Welt zu schaffen. Insbesondere dann, wenn ein Sachverständiger in einem solchen Fall streitige Behauptungen der Gegenpartei oder deren Unterlagen in seinem Gutachten zugrunde gelegt hat, lässt ein Befangenheitsantrag nicht lange auf sich warten. Ist sich ein Sachverständiger nicht sicher, auf welcher Tatsachengrundlage er sein Gutachten erstellen soll, so ist es wichtig, dass er eine Klärung durch das Gericht herbeiführt. § 407 a, Abs. 3, Satz 1 ZPO enthält hierzu folgende Regelung: „Hat der Sachverständige Zweifel an Inhalt und Umfang des Auftrages, so hat er unverzüglich eine Klärung durch das Gericht herbeizuführen„. Gerade wenn der Sachverständige bei der Aktenlektüre eine hohe Streitintensität feststellt oder der Rechtsstreit für die Parteien finanziell von besonderer Bedeutung ist, gilt es hierbei besonders sorgfältig vorzugehen. Unterlagen einer Partei sollten vom Sachverständigen nur dann im Gutachten verwendet werden, wenn diese der Gegenpartei zuvor vom Gericht mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zugänglich gemacht worden sind. Dies folgt bereits aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Erhebt die Gegenpartei keine Einwendungen, kann der Sachverständige die Fotos in seinem Gutachten bedenkenlos verwenden.
Ein häufiger Praxisfall sind die zu einem Schadengutachten gehörenden Lichtbilder, die der Sachverständige von einer Partei erhält oder Fotos, die im Rahmen von Ortsterminen direkt von den Beteiligten übergeben werden. Im Idealfall sollte der Sachverständige diese Bilder der Partei mit der Bitte zurückgeben, sie direkt beim Gericht einzureichen. Eine spätere Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit dürfte in solchen Fällen ausgeschlossen sein, da der Partei die Fotos und ihre geplante Verwertung durch den Sachverständigen bekannt gewesen sind. In solchen Fällen dürfte in aller Regel die Zweiwochenfrist zur Stellung eines Ablehnungsantrags gem. § 406 Abs. 2 ZPO verstrichen sein. Unproblematisch dürfte es hingegen sein nachträglich übermittelte Fotos zu verwenden, die offensichtlich zu einem bereits in der Akte enthaltenen schriftlichen Gutachten gehören, diesem aber bislang nicht beigefügt waren. Hier kann davon ausgegangen werden, dass die Parteien Kenntnis von deren Existenz hatten.
In der Regel sind die Kosten für Beschaffung dieses Fotomaterials in Form von weiteren Fotoabzügen oder digitalen Bilddateien von dem Beweisführer zu tragen, da diese Partei gem. §§ 402, 379 ZPO die Kosten der Beweisaufnahme durch einen Sachverständigen insgesamt zu zahlen hat. In der Praxis verauslagen jedoch häufig die Sachverständigen diese heutzutage üblichen Kosten als Teil ihrer Dienstleistung, wodurch zeitaufwendige Versand- und Zahlungsmodalitäten verkürzt werden. Fraglich ist, ob der Sachverständige sich derartige Kosten auf den für das Gutachten zur Verfügung stehenden Vorschuss anrechnen lassen muss, oder ob er diese zusätzlich abrechnen darf, da es sich um notwendige Auslagen handelt, die er lediglich zur Vereinfachung des Verfahrens übernimmt. In der juristischen Literatur finden sich hierzu bislang keine Hinweise. Den sichersten Weg dürfte der Sachverständige bestreiten, wenn er diese Kosten – sobald sie für ihn erkennbar sind – im Rahmen seiner Hinweispflicht nach § 407a Abs. 3 S. 2 ZPO wie alle anderen Kosten in seine Kostenkalkulation einbezieht.
Datum
2012