Leitsätze der Entscheidung
- Eine zum Verlust des Vergütungsanspruchs führende Pflichtwidrigkeit eines Gerichtssachverständigen kann nicht darin gesehen werden, dass er eigene Tatsachenfeststellungen in einem Fall getroffen hat, in dem ihm seitens des Gerichts keinerlei Vorgaben gemacht wurden, welches tatsächliche Geschehen Grundlage des Gutachtens sein sollte.
- Seinen dem Vergütungsantrag zugrunde liegende Zeitaufwand muss ein Sachverständiger nicht nach Tagesdaten und Uhrzeiten dokumentieren.
- Hat das Gericht seiner Pflicht, die Sachverständigentätigkeit zu leiten, nicht genügt, liegt darin nur dann ein die Niederschlagung der Sachverständigenkosten rechtfertigender Fehler, wenn die Sachbehandlung unter keinem vertretbaren Standpunkt nachvollziehbar ist.
Sachverhalt / Entscheidung
Nach Abschluss eines Verfahrens beim Landgericht Koblenz beschwerte sich die unterlegene Partei über die Sachverständigenkosten. Zum einen würden die Sachverständigenkosten Auslagen für eine Tätigkeit des Sachverständigen betreffen, die tatsächlich nicht zu vergüten sei. Zum anderen handle es sich um Sachverständigenkosten, die bei einer korrekten Sachbehandlung durch das Gericht nicht entstanden wären und deshalb nicht erhoben werden dürften. Die – zwar zulässige – Beschwerde hatte keinen Erfolg (Beschluss des OLG Koblenz vom 7. Juli 2011, Az.: 14 W 385/11). In der Sache vermöge das Rechtsmittel indessen nicht durchzudringen. Der angefochtene Kostenansatz habe Bestand. Er lasse sich weder mit dem Einwand zu Fall bringen, er betreffe Auslagen für eine Tätigkeit des Sachverständigen, die tatsächlich nicht zu vergüten sei, noch erfolgreich mit dem Hinweis darauf angreifen, dass er Kosten zum Gegenstand habe, die bei einer korrekten Sachbehandlung durch das Gericht nicht entstanden wären und deshalb nicht erhoben werden dürften.
Zum ersten Punkt mache die Klägerin mit ihrer Beschwerde geltend, der Sachverständige habe seine Kompetenzen augenscheinlich überschritten, indem er – in eigenständiger Würdigung des Akteninhalts und vorliegender Aussagen – Tatsachenfeststellungen getroffen habe. Dieser Vorwurf reiche nicht hin, die Entschädigung für den Sachverständigen in Frage zu stellen und Teile seiner Arbeit von der Honorierung auszunehmen. Das wäre nur dann möglich, wenn der Sachverständige mit seiner von der Klägerin beanstandeten Verfahrensweise die ihm obliegende Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maß vernachlässigt hätte. Davon könne hier nicht ausgegangen werden. Gerichtliche Vorgaben, welcher Sachverhalt für die Beantwortung der Beweisfragen zugrunde zu legen sei, seien nicht gemacht worden. Der Sachverständige sei auch nicht angewiesen worden, insoweit Rückfrage zu halten. Wenn er sich vor diesem Hintergrund selbst um eine Bestandsaufnahme bemühte, könne das nicht als besonders schwerwiegende, für einen Vergütungsentzug ausreichende Pflichtverletzung angesehen werden. Die – von der Beschwerde nicht aufgegriffene – Erwägung, der Sachverständige habe die gemäß § 407 a Abs. 3 S. 2 ZPO gebotenen Anzeigen unterlassen, sei von vornherein ungeeignet, die Aberkennung von Entgeltansprüchen herbeizuführen. Dafür wäre nur dann Raum, wenn der Gutachterauftrag bei entsprechenden Mitteilungen entzogen worden wäre. Eine solche Situation sei hier weder dargetan noch sonst ersichtlich. In der angefochtenen Entscheidung heiße es dazu ausdrücklich, zur möglichen Kausalität sei nicht einmal im Ansatz etwas vorgetragen. Nicht tragfähig sei schließlich auch der – ebenfalls nicht erneuerte – Vorwurf, der Sachverständige habe seinen Zeitaufwand nicht nach Tagesdaten und Uhrzeiten dokumentiert. Eine solche Dokumentation sei weder üblich noch sachdienlich, weil Anknüpfungspunkt für die Vergütung nicht der effektive, sondern der zur Erstattung des gefertigten Gutachtens erforderliche Arbeitsanfall sei (§ 8 Abs. 2 S. 1 JVEG).
Die Beschwerde scheitere auch insoweit, als sie darauf abziele, dass die mit den tatsächlichen Feststellungen des Sachverständigen verbundenen Kosten gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 GKG niederzuschlagen seien. Der Angriff knüpfe an § 404 a Abs. 3 ZPO an und rüge die Missachtung der dort für die Erhebung des Sachverständigenbeweises niedergelegten Leitlinien. Das Landgericht habe dem Sachverständigen nämlich trotz einer entsprechenden Ermahnung durch die Klägerin keine Vorgaben dazu gemacht, von welchen tatsächlichen Umständen er ausgehen müsse. Ihm seien nicht einmal Sachverhaltsalternativen an die Hand gegeben worden.
Allerdings sei die Rüge in ihrem Ansatz berechtigt. Denn die Tatsachenfeststellung sei in erster Linie Aufgabe des Gerichts. Unterbleibe sie von gerichtlicher Seite und werde der Sachverständige hier allein gelassen, begründe das aber nicht notwendig einen gravierenden Vorwurf. Das gelte insbesondere dann, wenn das Gericht der Würdigung des Sachverständigen nicht ohne weiteres zu folgen beabsichtige, und gewillt sei, sich jedenfalls nachträglich ein eigenes Bild zu machen. Eben das habe das Landgericht in seiner Verfügung vom 2. Februar 2010 zum Ausdruck gebracht.
Im Hinblick darauf gebe es keinen Raum für die Anwendung von § 21 Abs. 1 S. 1 GKG. Die Vorschrift greife nur unter der Voraussetzung, dass ein offensichtlicher schwerer Fehler vorliege. Davon könne hier keine Rede sein. Das Landgericht möge zwar der Bestimmung des § 404 a Abs. 3 ZPO nicht die gebotene Rechnung getragen haben. Es habe aber Gründe für seine Vorgehensweise gehabt, die nicht als von vornherein unbeachtlich abgetan werden könnten.
Sachverständigenpraxis
Die vorliegende Entscheidung setzt sich mit zwei sehr häufig gegen Sachverständigenkosten vorgetragenen Einwänden auseinander.
Zum einen mit der Vorschrift des § 407a Abs. 3 ZPO. Dort ist Folgendes geregelt: „Erwachsen voraussichtlich Kosten, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes stehen oder einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen, so hat der Sachverständige rechtzeitig hierauf hinzuweisen.“
Unterlässt ein Sachverständiger einen solchen Hinweis, so kann bei Sachverständigenkosten, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstands stehen oder den Kostenvorschuss erheblich übersteigen, die Vergütung des Sachverständigen spürbar gekürzt werden. Daher sollten Sachverständige regelmäßig anhand der Akten überprüfen, wie hoch der sog. Streitwert ist, d.h. um welche Summe streiten die Parteien. Häufig finden sich hierzu am Anfang der Akte in der Klageschrift hilfreiche Informationen. Ist mit Sachverständigenkosten in Höhe von ca. der Hälfte dieser Summe zu rechnen, muss unverzüglich und noch vor Beginn der Begutachtung ein Hinweis an das Gericht erfolgen. Ein Hinweis ist ebenfalls erforderlich, wenn die Sachverständigenkosten insgesamt voraussichtlich mehr als ca. 120 % des Vorschusses betragen werden. In beiden Fällen sollen die Parteien nach dem Willen des Gesetzgebers durch solche Hinweise die Fortsetzung des Rechtsstreits überdenken und ggfls. aus Kostengründen einen Vergleich schließen. Was jedoch häufig übersehen wird, ist, dass eine Kürzung nur dann erfolgen darf, wenn der unterlassene Hinweis ursächlich für die zu hohen Sachverständigenkosten geworden ist. In der Regel kann nämlich stets davon ausgegangen werden, dass die Parteien auch nach einem solchen Hinweis nicht von der Einholung des Sachverständigengutachtens abgesehen hätten. Dann darf jedoch auch keine Kürzung der Sachverständigenkosten erfolgen. Zum anderen stellt der Beschluss unmissverständlich klar, dass überzogene Dokumentationspflichten an die Stundenaufstellung des Gerichtssachverständigen unzulässig sind. Der Sachverständige muss kein Tagebuch über seine Tätigkeit führen. Denn die Sachverständigenvergütung bemisst sich nach dem insoweit unmissverständlichen Wortlaut des § 8 Abs. 2 S. 1 JVEG nicht nach der tatsächlichen, sondern nach der erforderlichen Stundenzahl.
Datum
2013