Leitsätze der Entscheidung
- Der Gerichtssachverständige hat sein Gutachten eigenverantwortlich zu erstatten.
- Soweit sich der Sachverständige der Mitarbeit einer anderen Person bedient, hat er diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben (§407a Abs. 2 S. 2 ZPO).
- Hilft ihm ein Mitarbeiter bei der Gutachtenerstellung reicht dies nicht aus, um eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
Sachverhalt / Entscheidung
In einem erstinstanzlichen Verfahren wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt. Nach Zustellung des schriftlichen Gutachtens reichte eine Partei einen Ablehnungsantrag ein. Als Begründung wurde angegeben, dass sich aus dem Datum des Gutachtens – 13.04.2008 – in Verbindung mit dem Eingangsdatum des Gutachtens bei Gericht – 30.05.2008 – und dem Diktatzeichen im Kopf des Gutachtens ergebe, dass der Sachverständige in Wirklichkeit nicht selbst das Gutachten erstellt habe. Darüber hinaus habe er die Mitwirkung eines Mitarbeiters bei der Gutachtenerstellung verschwiegen.
Das Landgericht Kiel (Beschluss vom 13.08.2008, AZ.: 8 O 19/07) hat den Befangenheitsantrag zurückgewiesen. Die Begründung des Antrags sei spekulativ und lasse sich aus den vom Antragsteller dargelegten Tatsachen nicht herleiten. Die Stellungnahme des Sachverständigen sei ausreichend, um die Antragsbegründung zu entkräften. Zwar habe der Sachverständige eingeräumt, er habe sich von einem Mitarbeiter bei der Erstellung des „Gerüsts“ helfen lassen. Dies sei geschehen, um das Gutachten so zügig wie möglich zu verfassen. In allen wesentlichen Fragen habe der Sachverständige das Gutachten jedoch nach selbständigem Wissen und Gewissen sowie nach eingehender Durchsicht der für die Beantwortung der Fragen notwendigen Literatur und nach genauer Betrachtung der aus den Akten zu entnehmenden Fakten selbständig verfasst. Daher liege ein Verstoß des Sachverständigen gegen seine Pflicht zur persönlichen Gutachtenerstellung gemäß § 407 a Abs. 2 ZPO nicht vor. Da die Hilfe des Mitarbeiters bereits im Gutachten selbst durch das Diktatzeichen deutlich werde, sei der Vorwurf nicht gerechtfertigt, der Sachverständige habe diesen Umstand verheimlichen wollen. Der lange Zeitraum zwischen dem Datum des Gutachtens und dem Eingangsdatum des Gutachtens bei Gericht lasse sich damit erklären, dass der Sachverständige es versehentlich unterlassen habe das Datum des Entwurfs des Mitarbeiters abzuändern und ein neues Datum einzufügen.
Sachverständigenpraxis
Das Ablehnungsgesuch hat im vorliegenden Fall bereits deshalb keine Aussicht auf Erfolg, weil ein Verstoß gegen § 407 a Abs. 2 ZPO nicht eine Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt. Allerdings kann ein solcher Verstoß zu Bedenken gegen die Eignung des Sachverständigen führen. Denn die Auswahl und auch die Auswechslung eines Sachverständigen obliegen dem pflichtgemäßen Ermessen des Richters. Daher hat der Sachverständige sein Gutachten eigenverantwortlich zu erstatten. Dieser sog. Grundsatz der Höchstpersönlichkeit entspricht dem in ein Gerichtsgutachten gesetzten Vertrauen und der hohen Verantwortung des Sachverständigen. Es ist der Gerichtsgutachter, der persönlich zivil- und strafrechtlich für die Richtigkeit seines Gutachtens haftet. Es ist nicht ausreichend, dass er es bloß unterschreibt oder sich damit einverstanden erklärt. Die fehlende Eignung eines Sachverständigen benachteiligt allerdings beide Parteien, so dass sie allein nicht das subjektive Misstrauen einer Partei gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen und damit ein Befangenheitsgesuch rechtfertigt. Neben Zweifeln an der Eignung des Sachverständigen kann die Gutachtenerstellung durch einen Mitarbeiter auch zur Unverwertbarkeit des Gutachtens und infolge dessen zu einem Vergütungsverlust des Sachverständigen führen. Zur Frage der Eignung hat das OLG Jena (Beschluss vom 14.12.2005, Az.: 4 W 399/05) vor wenigen Jahren folgende Grundsatzentscheidung getroffen: Gemäß § 407a Abs. 2 ZPO ist der Sachverständige nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Soweit er sich der Mitarbeit einer anderen Person bedient, hat er diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben. Das Unterlassen des Benennens wirkt sich dahin aus, dass Bedenken gegen die Eignung des Sachverständigen bestehen. Da durch die fehlende Eignung beide Parteien gleichermaßen benachteiligt sind, rechtfertigt der prozessuale Verstoß aus der Sicht der Partei aber nicht das subjektive Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen.
Unter gewissen Voraussetzungen kann gemäß § 407 a Abs. 2 Satz 2 ZPO ein Gehilfe (oder mehrere Gehilfen) bei der Gutachtenerstellung hinzugezogen werden. Die Zulässigkeit der Hinzuziehung von Hilfskräften folgt auch aus § 12 JVEG, der regelt, dass der Gerichtssachverständige die für die Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens oder aufgewendeten notwendigen besonderen Kosten, einschließlich der insoweit notwendigen Aufwendungen für Hilfskräfte ersetzt bekommt. Es sollte z. B. zulässig sein, dass Mitarbeiter des Sachverständigen Ortsbesichtigungen durchführen, solange der persönliche direkte Augenschein nicht von besonderer Bedeutung ist. Werden Mitarbeiter tätig, so muss dies jedoch im Gutachten, unter Angabe des Umfangs der Mitwirkung der Gehilfen, erwähnt werden. Soweit sich der Sachverständige der Mitarbeit einer anderen Person bedient, hat er diese auch namhaft zu machen. Dabei soll zudem die berufliche Ausbildung und Stellung der Gehilfen zwecks Überprüfung ihrer Sachkunde dargelegt werden. Die Hinzuziehung von Gehilfen darf jedoch nicht dazu führen, dass der Sachverständige selbst die Arbeiten nicht mehr überschaut und auch die wissenschaftliche Auswertung und Gesamtbeurteilung der Ergebnisse dem Gehilfen überlässt oder dazu nicht mehr in der Lage ist. In einem solchen Fall müsste der ursprünglich ernannte Sachverständige vom Gericht entlassen und ggf. der Gehilfe zum Sachverständigen ernannt werden.
Hierzu ist gerade von dem OLG Düsseldorf (Beschluss vom 17.10.2008, Az. 5 W 41/08) Folgendes entschieden worden: Hat sich der zunächst gerichtliche beauftragte Sachverständige in rechtlich zulässiger Weise bei der Erstellung des Gutachtens einer Hilfskraft bedient und bestellt das Gericht nach Entpflichtung des ursprünglichen Sachverständigen diese Hilfskraft zum neuen Sachverständigen, so kann ein Befangenheitsgesuch gegen den neuen Sachverständigen nicht erfolgreich auf den Vorwurf gestützt werden, der neue Sachverständige habe sich zuvor die Sachverständigenstellung angemaßt.
In der Praxis bietet die Hinzuziehung von Gehilfen dem Sachverständigen die Möglichkeit neue Mitarbeiter einzuarbeiten und ggf. auch Kosten zu ersparen. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass der Sachverständige nur noch die von „Ghostwritern“ erstellten Gutachten unterschreibt.
Datum
2012