- Der vom Bauherrn mit der Prüfung der Standsicherheit nach § 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 HBO 2002 und der Bauüberwachung gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 HBO 2002 beauftragte Sachverständige nimmt kein öffentliches Amt i.S.v. § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG wahr. Zwischen beiden Personen wird ein privatrechtlicher Werkvertrag geschlossen.
- Dieser Werkvertrag bezweckt auch den Schutz des Bauherrn (Auftraggebers) vor Schäden aufgrund einer mangelhaften Baustatik. Er dient nicht allein dem Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Bauordnungsrechts und ist nicht lediglich darauf gerichtet, eine Prüfbescheinigung zu erstellen, die gegenüber der Bauaufsichtsbehörde vorgelegt werden kann.
BGH, Urteil vom 31.03.2016 – III ZR 70/15
BGB §§ 631, 839 Abs. 1 Satz 1; GG Art. 34 Satz 1; HBO 2002 § 59 Abs. 1, 3, § 73 Abs. 2
Problem/Sachverhalt
Den Bauherren wird eine Genehmigung für den Bau eines Einfamilienhauses auf einem Hanggrundstück erteilt mit der Auflage, vor Baubeginn die bautechnischen Nachweise bei der Bauaufsichtsbehörde vorzulegen. Die Bauherren beauftragen den beklagten Prüfingenieur mit der Prüfung der bautechnischen Nachweise und der Bauüberwachung in statisch-konstruktiver Hinsicht. Der Ingenieur erstellt einen Prüf- und einen Überwachungsbericht. Später kommt es infolge des vom Hang ausgehenden Erdmassendrucks zu Schäden am Gebäude. Die Bauherren verlangen vom Ingenieur Schadensersatz in Höhe von ca. 135.000 Euro. Der Ingenieur wendet ein, er habe als Prüfingenieur in Ausübung eines öffentlichen Amts gehandelt und sei allein zum Schutz der Allgemeinheit, nicht aber der Belange der Bauherren tätig geworden. Dem folgt das OLG.
Entscheidung
Der BGH hebt das Urteil des OLG auf und verweist zurück! Der Ingenieur ist bei der Erfüllung des Auftrags, die Standsicherheit zu prüfen, nicht in Ausübung eines öffentlichen Amts, sondern privatrechtlich tätig geworden. Er ist deshalb passivlegitimiert. Prüfer und andere Sachverständige werden nur dann in Ausübung eines öffentlichen Amts tätig, wenn ihre Arbeit mit der Verwaltungstätigkeit einer Behörde auf das Engste zusammenhängt und ihre Prüfung geradezu einen Bestandteil der von der Behörde ausgeübten hoheitlichen Tätigkeit bildet. Daran fehlt es vorliegend. Die HBO 2002 hat bewusst die baurechtliche und die bautechnische Prüfung entkoppelt und die entsprechenden staatlichen Prüfungs- und Überwachungsaufgaben auf den Bauherrn bzw. die von ihm einzuschaltenden privaten Prüfingenieure übertragen. Der privatrechtliche Prüfauftrag verpflichtet den Prüfstatiker gegenüber dem Bauherrn, etwaige statische Mängel zu erkennen, eine statisch fehlerhafte Bauausführung zu verhindern und den Eintritt von Schäden aufgrund einer mangelhaften Statik abzuwenden.
Praxishinweis
Wer den Prüfstatiker mit der Überprüfung des Standsicherheitsnachweises zu beauftragen hat, ist in den Bauordnungen der einzelnen Bundesländer unterschiedlich geregelt. In Bayern erfolgt die Beauftragung des Prüfingenieurs von Amts wegen bei „Sonderbauten“ nach Art. 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayBO. In Baden-Württemberg „kann“ die Baurechtsbehörde die bautechnische Prüfung nach § 17 Abs. 3 LBO VVO ganz oder teilweise einem Prüfingenieur übertragen. Erteilt das Baurechtsamt den Prüfauftrag, wird der Prüfstatiker hoheitlich tätig. Auf diese Fälle passt die Entscheidung des BGH also nicht (OLG Stuttgart, IBR 2014, 290).
RA und FA für Bau- und Architektenrecht, FA für Verwaltungsrecht Prof. Dr. Mathias Preussner, Konstanz
Datum
1. September 2016
Quelle
www.ibr-online.de – IBR 2016, 350