Architekten und Bauherren haben häufig ein besonderes Vertrauensverhältnis. Deswegen werden Architekten oftmals als „Sachwalter“ ihrer Bauherren angesehen. Diese traditionelle Beziehung zwischen dem Bauherrn und seinem Planer hat seit jeher ihre Tücken, erläutert die Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilienrecht (ARGE Baurecht) im Deutschen Anwaltverein (DAV). Obwohl die neuere Rechtsprechung den Anschein hat, von einer strengen Haftung zurückzurudern, nimmt sie den „Sachwalter“ nach wie vor in die Pflicht. Das müssen Architekten, Fachingenieure und Bauherren wissen und beachten. Das Problem ist komplex. Normalerweise verjähren Gewährleistungsansprüche und Mängelrechte gegen Architekten innerhalb von fünf Jahren. „Unter Umständen haften Architekten aber noch viel länger“, erklärt Baurechtsanwalt Johannes Jochem, Mitglied der ARGE Baurecht. „Dann nämlich, wenn es sich um einen Fall von sogenannter Sachwalterhaftung handelt.“
Ein typischer Fall einer Sachwalterhaftung verläuft in etwa so: Ein umfassend beauftragter Architekt oder Ingenieur wird noch innerhalb seiner Gewährleistungsfrist vom Bauherrn gebeten, Mängel am Bau zu untersuchen. Auch wenn der Architekt nicht mit der Leistungsphase 9, also einer Betreuung der Gewährleistungsfrist für den Bauherrn beauftragt ist, wird er sich die Mängelsymptome wahrscheinlich anschauen, sei es aus Gefälligkeit oder um seinen guten Ruf zu wahren. Das ist nicht ohne Risiko, warnt die ARGE Baurecht, denn da die Ursache des Mangels im Baukörper oder sogar in der Konstruktion versteckt sein kann, ist sie gegebenenfalls gravierend und ihre Beseitigung teurer, als es das Mangelsymptom auf den ersten Blick erwarten lässt.
„Die Rechtsprechung verlangt vom Architekten aber die Aufklärung aller Ursachen. Das bedeutet, dass der ehemals umfassend beauftragte Planer als Sachwalter bei der Aufklärung der Mängelursachen sogar auf seine eigenen Planungsfehler hinweisen muss“, verdeutlicht Johannes Jochem. „Liegt der Mangel nicht in einem Planungsfehler, sondern in einem Ausführungsfehler der Baufirma, muss der Architekt prüfen, ob er dies während der Bauüberwachung hätte erkennen und verhindern können. Auch darüber muss er seinen Bauherrn aufklären. Der Grundsatz des Strafrechts, dass man sich nicht selbst belasten muss und gegebenenfalls die Aussage verweigern kann, gilt hier nicht!“ Warum ist das so? Umfassend beauftragte Architekten gelten als Sachwalter des Bauherrn, weil dieser ihnen besonderes Vertrauen entgegen bringt. „Die zugegebenermaßen strenge, aktuelle Rechtsprechung reagiert auf Fälle aus der Vergangenheit“, erläutert der Baurechtler.
„In mehreren Fällen hatten Architekten das Vertrauen ihrer Bauherren missbraucht, eigene Fehler verschwiegen und versucht, sich in die Verjährung zu retten. Die Richter haben den Spieß umgedreht und den Architekten die – wie es im Juristendeutsch heißt – Einrede der Verjährung entzogen. Das bedeutet: Der Architekt haftet auch über die Frist von fünf Jahren hinaus.“
Diese Rechtsprechung gilt allerdings nur für umfassend beauftragte Architekten und Ingenieure. Die beauftragten Bauunternehmern und – nach neuester Konkretisierung der Rechtsprechung – auch die Fachingenieure und Tragwerksplaner – sind davon ausgenommen, weil sie nicht im gleichen Vertrauensverhältnis zum Bauherrn stehen wie der Architekt. „Architekten sollten deshalb lieber gleich aufrichtig über Mängel und Ursachen aufklären und nicht auf Zeit spielen“, rät Rechtsanwalt Jochem, „sonst stehen sie zum Schluss vielleicht alleine da. Dann sind die Ansprüche gegen den Bauunternehmer verjährt, aber sie selbst haften nach wie vor – und dann gegebenenfalls alleine, weil auch Ausgleichsansprüche verjährt sind.“ „Auch Bauherren sollten sich absichern und bei Anzeichen von Mängeln nicht nur den Architekten um Hilfe bitten, sondern sich zusätzlich durch einen erfahrenen Baujuristen beraten zu lassen. Der Experte erkennt schnell, ob ein Planer einen Mangel wirklich untersucht und aufklärt, oder ob er die Sache nur verschleppt.“ „Vertrauen“, so der Rat des Fachmanns, „ist zwar gut, aber Kontrolle in diesem Fall eindeutig besser. Niemand hat etwas davon, wenn die Feststellung und damit die schnelle Behebung eines Baumangels vielleicht auf Jahre hinaus verzögert wird.“
Datum
April 2012