WENZEL HABLIK – Expressionistische Utopien – Malerei Zeichnung Architektur
von Prof. D.-J. Mehlhorn, Architekt und Stadtplaner
Hand auf´s Herz: Wer von den Lesern/innen dieser Besprechung hat sich schon intensiv mit der Person von Wenzel Hablik und dessen Werk beschäftigt? Weiß, dass einer der innovativsten und phantasievollsten Köpfe des deutschen Expressionismus in Itzehoe gelebt und gearbeitet hat?
Den 1881 in Nordböhmen geborenen Hablik zog es zunächst zum Studium an die Kunstgewerbeschulen in Teplitz und Wien, 1907 an die Kunstakademie in Wien, zugleich nach der Bekanntschaft mit dem Holzhändler und Mäzen Richard Biel in die Kleinstadt Itzehoe, wo er bis zum Ende seines Lebens 1934 verbrachte. Hablik war bekannt mit den führenden Köpfen der Zeit wie Bruno Taut oder Walter Gropius, korrespondierte mit diesen und stellte in der „Galerie Der Sturm“ von Herwarth Walden neben Pablo Picasso und Oskar Kokoschka aus. Viel Zeit verbrachte er auch in Berlin, dem damals führenden Kulturzentrum Europas.
Prägende Eindrücke empfing er an der See, aber auch im Gebirge, wo ihn die Weite des Horizontes bzw. die bizarren Formen der Berge faszinierten. Insbesondere die Formen von Kristallen regten ihn immer wieder zu fantastischen Inventionen und architektonischen Entwürfen an: „Nordisches Glashaus und Siedlungen“, „Hochschule für Himmels- und Licht-Wissenschaften“, „Freitragende Kuppel mit fünf Bergspitzen als Basis“. In seinem Haus in Itzehoe hatte er eine reiche Sammlung seltener Steine, die ihn wohl immer wieder angeregt haben dürften. In nicht wenigen Zeichnungen und Gemälden verband er die Elemente Wasser und Kristall wie im dem schönen Bild „Kristallschloss im Wasser“. Realitätsnäher, wenn auch immer noch utopisch, waren Entwürfe für Mehrfamilienhäuser oder Ausstellungsbauten, die die Nähe zu Bruno Taut und der Künstlergemeinschaft „Die gläserne Kette“ oder den Brüdern Luckhardt erkennen lassen. Während sich die meisten Künstler und Baumeister der 1920er Jahre den drängenden Problemen des Wohnungsbaus und der Großstadt zuwandten, konzentrierte sich Hablik stärker auf das Design, d.h. Kunstgewerbe und Innenraumgestaltung, entwarf ebenso Besteck, Tintenfässer und Tapeten wie auch Notgeld für die Stadt Itzehoe. Für diese Beschränkung als Designer mag u.a. die Ehe mit Elisabeth Hablik-Lindemann, eine begnadete Weberin, den Ausschlag gegeben haben. Das innenarchitektonische Werk umfasste die Ausstattung mehrerer Innenräume von Bürgerhäusern, eines Hotels und eines Ausstellungsraumes. In seinem eigenen Haus kulminierte die Farb-Raum-Gestaltung in einer Art Gesamtkunstwerk mit faszinierender Wirkung. Letzteres ist 1933 von Hablik kurz vor seinem Tod aus nicht nachvollziehbaren Gründen durchgreifend verändert worden. Diese Veränderung scheint auf eine künstlerische, in dem Buch zu wenig reflektierte Neuorientierung des an Krebs erkrankten Hablik am Jahrzehntwechsel 1920/1930 hinzuweisen, denn auch das Äußere des eigenen Hauses erfuhr zugleich eine Neugestaltung in nüchtern-sachlichem Stil. Die ursprüngliche Farbigkeit wurde durch japanische Furniertapeten, die farbig gestalteten Türen durch nüchterne Sperrholzplatten überdeckt. Erstaunlicherweise blieb aber die ursprüngliche Gestaltung darunter erhalten und konnte vor ein paar Jahren wieder freigelegt werden.
Das Gesamtwerk von Wenzel Hablik ist in dem nach ihm benannten Museum, einem Spätbarockhaus in Itzehoe, Reichenstraße 21, zu besichtigen. Vieles von dem, was üblicherweise nur im Depot lagert, kann nun noch bis zum 14. Januar 2018 in einer fulminanten Ausstellung im Berliner Gropiusbau angesehen und studiert werden. In großzügigen Räumen eröffnet sich ein umfassendes Bild des vielfältigen und vielschichtigen Schaffens des Universalisten. Im Mittelpunkt steht das rekonstruierte Esszimmer, daneben machen Gemälde, Grafiken, Objekte die Vorstellung Habliks vom Gesamtkunstwerk anschaulich. Die Ausstellung wird durch einen gut gemachten Katalog begleitet, der mit intelligenten Aufsätzen den Vorstellungen Habliks nachspürt und dem Künstler in der schleswig-holsteinischen „Provinz“ den ihm gebührenden Platz in der deutschen Kunstgeschichte einräumen wird.
AUF EINEN BLICK:
Wenzel Hablik: Expressionistische Utopien – Malerei Zeichnung Architektur.
Hrsg. von Katrin Maibaum und Katharina Gräbner für das Wenzel-Hablik-Museum Itzehoe.
207 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. 49,95 Euro (Museumsausgabe in Berlin: 25.00 Euro),
Prestel Verlag München 2017
02.11.2017