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TAUT BAUT – Bauen als kulturelle Investition

von Prof. D.-J. Mehlhorn, Architekt und Stadtplaner

 

Max Taut (* 1884) hat immer etwas im Schatten seines berühmten und populären Bruders Bruno gestanden, auch wenn er mit diesem fast immer zusammen arbeitete: Sei es im gemeinsamen Büro, bei der Gründung des Arbeitsrates für Kunst oder als Koautor der von Bruno edierten Zeitschrift Frühlicht. Beide erlangten Goldmedaillen der legendären Baufach-Ausstellung 1913 in Leipzig. Er ging als Architekt aber auch eigene Wege. In den 1920er Jahren entwarf er eine Reihe von Gebäuden traditionell linker Organisationen wie das ADGB-Haus, das Verbandshaus der Buchdrucker, Großbäckereien und Kaufhäuser der Konsumgenossenschaft, zahlreiche Schulen und Wohnhäuser. Entgegen der allgemeinen Tendenz der Zeit zur ausdruckslosen Rationalisierung bewahrte sich Taut die Freiheit expressionistischer Experimente. Die Architektur verliert bei aller Rationalität nie an Ausdruckskraft: „Sie geht mit der rationalen Sinnhaftigkeit und der konstruktiven Logik eine eigentümliche, aber nie gezwungen erscheinende Ehe ein, die sich in vollkommene und […] zeitlose architektonische Poesie sublimiert“, wie Vittorio Magnago Lampugnani konstatiert. Die Wege der Brüder trennten sich mit Beginn der NS-Diktatur: Bruno emigrierte nach Moskau, später nach Japan und die Türkei, wo er 1938 starb. Max blieb in Deutschland, trotz Diskriminierung konnte er einige Bauten erstellen und an Wiederaufbauplanungen für die Region um Dresden mitwirken. Nach 1945 erhielt Taut eine Professur in Berlin und entwickelte zahlreiche Projekte wie das Ludwig-Georgs-Gymnasium in Darmstadt, aber auch für Großsiedlungen im Ruhrgebiet und in Berlin. 1957 realisierte er für die INTERBAU eine drei- bis viergeschossige, sehr stark aufgelockerte Hauszeile mit Mietergärten und gemeinschaftsfördernden Räumen. Sein letztes Werk, 1963, war ein Kinderheim in Berlin-Kreuzberg. Schließlich ist er 1967 verstorben und in Chorin beigesetzt.

Cover_TAUT BAUT_klAn Max Taut und sein Werk erinnerte im Frühjahr 2017 eine Ausstellung des Deutschen Werkbundes. Zeitgleich ist ein kleines Buch erschienen, das sich erfreulich von sonst üblichen kopflastigen Monografien dadurch unterscheidet, dass zwölf Personen – nicht nur Architekten und Historiker! – sich dem Werk Tauts auf sehr persönliche Weise nähern. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, selbst aus dem Druckgewerbe kommend, widmet sich dem Buchdruckerhaus als einem Symbol für Handwerkerkunst und Aufklärung zugleich. Hier fand bis 1933 die Bildungsarbeit der Gewerkschaften statt und hatte die Büchergilde Gutenberg, die den Arbeitern den Zugang zu guter und hochwertig gestalteter Literatur öffnete, ihren Sitz. (S. 39ff.) Max Dudler beschreibt die nach ihrem Architekten benannte Schule in Berlin-Lichterfelde als kulturellen Mittelpunkt des Stadtteils. (S. 51 ff.) Der Filmemacher Wim Wenders reflektiert seine eigene, zehn Jahre andauernde Arbeit im Warenhaus der Konsumgenossenschaft in Berlin-Kreuzberg. (S. 59 ff.) Der Publizist Peter Cachola Schmal beschreibt das Gewerkschaftshaus in Frankfurt am Main – einst, 1929, ein das Mainufer dominierendes „funktional-nüchternes Hochhaus“, heute eingeklemmt von weit höheren Gebäuden: „Leise, fein detailliert und etwas zartgliedrig für unsere Zeiten, wie etwa ein historischer Porsche 911 zwischen muskelbepackten SUV´s. Er kann zwar nicht mithalten, aber man respektiert ihn.“ (S. 62 ff.) Der Publizist Gerd Heidenreich erinnert sich schließlich an das Darmstädter Gymnasium aus kindlicher Nutzerperspektive: „Das Gymnasium war mehr als ein Bau, es war ein Aufbruch – zu Klarheit, Zweckmäßigkeit, Offenheit.“ (S. 67 ff., Zitat: S. 67)

Insgesamt: ein kleines, gut gemachtes Buch, das einen die Architektur des 20. Jahrhunderts prägenden Architekten angemessen würdigt. Taut verstand das Bauen nicht als Geldanlage, sondern als kulturelle Investition. Bei ihm sind sicher noch heute vielfältige Anregungen zu gewinnen. Wer sich noch stärker auf das Werk von Max Taut einlassen will, sei auf die umfangreiche Monografie von Annette Menting, Bauhistorikerin und Professorin an der Leipziger HWTK, verwiesen (2003). Es lohnt sich!

 

AUF EINEN BLICK:

TAUT BAUT; Geschichten zur Architektur von Max Taut.
Mit Fotografien von Stefan Müller. Hrsg. vom Deutschen Werkbund Berlin.
78 Seiten mit vorwiegend s/w-Aufnahmen.
20,00 EUR. Verlag Klaus Wagenbach. Berlin 2017

 

16.10.2017

 

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