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Partizipation und Profession – Den Zumutungen des Alltags mit Phantasie und Standhaftigkeit widerstehen

Text: Prof. D.-J. Mehlhorn, Architekt und StadtplanerCover_Partizipation und Profession

Der Rezensent muss gestehen, dass er in der Auslage der bekannten Hamburger Buchhandlung Sautter + Lackmann nach diesem Buch zunächst nur wegen des bescheidenen Äußeren – weißer Umschlag mit sehr zurückhaltender Beschriftung – gegriffen hat. Beim Durchblättern interessierten ihn die zahlreichen dokumentierten Holzbauten. Wieder ein Buch über Holzhäuser – Holzbauweise, wie sie in letzter Zeit in den Fachzeitschriften und vielen Büchern publiziert wird? Sogar Hochhäuser, auch Miethäuser in geschlossenen städtebaulichen Strukturen entstehen in Holzbauweise, nachdem es gelungen ist, auch brandschutzrechtliche u.a. Vorbehalte zu überwinden. Ob die Holzbauten tatsächlich nachhaltig sind, wird sich aber erst später erweisen. Die Substituierung anderer Baustoffe verringert zwar den CO₂ – Ausstoß, im Holz wird aber eine Menge CO₂ gespeichert, die irgendwann – vielleicht nach Jahrhunderten – doch wieder in die Atmosphäre gelangt.

Das vorliegende Buch ist aber sehr viel mehr, als nur ein weiteres Buch über das Bauen mit Holz. Es ist zugleich ein Buch über das Leben und das Werk des in Detmold lebenden und bis 2017 an der dortigen Fachhochschule lehrenden Architekten Tobey und die Reflektion über die Aufgabe und das Wesen der Profession eines begeisterten Architekten, der sich auch nicht für die kleinsten Aufgaben zu fein ist. Seien es klassische Einfamilienhäuser, ein Kassenpavillon für ein Bauernhaus-Museum oder Hocker und andere Möbel: Bei allen Arbeiten bestimmt der Umgang mit dem Material, vor allem Holz, aber auch Stahl, und die Berücksichtigung dessen Eigenheiten die Arbeit des gelernten Tischlers. Ein Schlüsselbegriff ist für Tobay zugleich die Partizipation aller Beteiligten, was bereits im Titel anklingt. Man kann den Begriff unterschiedlich definieren. Die etwas triviale Definition gem. Duden oder Brockhaus (S. 7) wird dem Anliegen von Tobay allerdings nicht wirklich gerecht. Besser wäre es gewesen, von Kooperation aller Beteiligten – Architekt, Fachingenieure und vor allem der Bauherren (einzeln oder als Baugruppe) – zu sprechen. Am Beispiel der Anlage einer eigentlich banalen Balkonanlage für ein Stadthaus wird deutlich, wie der Entwurfs- und Bauprozess gegen vielfältige Einwände mit Tragwerksplaner, Bauhandwerkern und Bauherren sowie Behörden und Finanziers zu einer immer besseren Lösung geführt hat. (S. 163 ff.) Die fachlichen Ausführungen werden ergänzt durch solche anderer Beteiligter, so dass sich ein Gesamtbild des Planungs- und Bauprozesses aus unterschiedlicher Perspektive ergibt.

Die Kapitel „private Bauten“ (Wohnhäuser, S. 18-88), „allgemeine Bauten“ (Freilichtbühne, kirchliche Einrichtungen, Denkmalpflege, S. 104-159) und „Entwürfe und Modelle“ (Balkonanlage und Möbel, S. 162-175) werden ergänzt durch drei Essays. Im ersten bietet Tobey eine Sicht auf die ihn bewegenden Themen und die Erwartungen sowohl an die Medien als auch an die Ausbildung und die Profession. (S. 6 ff.) Der zweite Essay vom ehem. Echinger Bürgermeister Joachim Enßlin über die fehlenden Instrumente der lokalen Baulandpolitik stammt von 1990, wiederholt Altbekanntes und trägt zum Verständnis der Thematik nur wenig bei. (S. 62 ff.). Der dritte, äußert interessante Essay stammt von dem Psychologen Franz Strunz und beschäftigt sich mit „Architektur im Traum“ und „Architektur aus Träumen“. „Das Ergebnis der Fantasiearbeit kann in der Folge mit einiger Wahrscheinlichkeit der Anstoß zu einer günstigen und befriedigenden Lösung sein.“ (S. 125) Also ein Plädoyer für mehr Phantasie auch in der Baukunst! Tobey hat sich die Lust am Phantasieren und am Unkonventionellen nie nehmen lassen. Das beweisen die dokumentierten Bauwerke – alle in der sogenannten Provinz, in Oberbayern oder in Lippe. Die zumeist kleinen Bauwerke sind durch Gert von Bassewitz und einige andere Fotografen hervorragend dokumentiert. Grundrisse und Schnitte sowie Konstruktionszeichnungen lassen die Intentionen der Planungsbeteiligten gut erkennen. Wünschenswert wären allerdings mehr Fotos und Lagepläne, die die Einbettung der Projekte in den Kontext erkennen ließen.

Insgesamt ein editorisch und typografisch gut gemachtes Buch eines sonst nur wenig bekannten Verlages, das Mut machen kann, den Zumutungen des Alltags mit Phantasie und Standhaftigkeit zu widerstehen.

AUF EINEN BLICK:

Reinhold Tobey. Architekt. Partizipation und Profession. Konstruktionen mit Holz 1984-2017. Hg. von Reinhold Tobey in Zusammenarbeit mit Elena Henrich. 190 Seiten mit zahlreichen farbigen Fotos und Zeichnungen. 48,00 EUR. E-enterprise, Verlag für Wissenschaft, Kultur und Fotografie. Lemgo 2017

 

22.06.2018

 

 

 

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