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Die offene Stadt. Eine Ethik des Bauens und des Bewohnens.

von Prof. D.-J. Mehlhorn, Architekt und Stadtplaner

Walter Siebel vermutet in „Die Kultur der Stadt“ (2013), der Islam sei wohl dann in Deutschland angekommen, wenn „neben den Sieben Kirchtürmen in der Silhouette von Lübeck auch ein Minarett zu sehen“ sei und diese Präsenz des Anderen auch akzeptiert würde. Verbunden ist damit die Frage, wie offen die Gesellschaft für unterschiedliche Identitäten sei. Das scheint allgemein noch nicht der Fall zu sein: Die Konflikte um Kopftuch auf der Straße und Minarette im Stadtbild lassen dieses deutlich erkennen.

Der Frage nach Offenheit für Neues und Anderes geht auch Richard Sennet in seinem Buch „Die offene Stadt“ nach. Er vollendet damit eine Trilogie „Homo Faber“: Handwerk (2006) und Zusammenarbeit (2012). Ausgangspunkt ist die simple Frage: Wie schaffen es die zwei Drittel Erdbewohner, die 2050 in Städten leben werden, trotz unterschiedlicher kultureller und religiöser Hintergründe friedlich miteinander auszukommen. Die Frage ist nicht neu und die Antwort, eine Stadt solle so offen sein, dass alle auf uns einstürmenden Veränderungen nicht nur akzeptiert, sondern – besser noch – Vielfalt, Veränderung auch Unordnung als Bereicherung des städtischen Lebens empfunden werden, ist schon anderenorts (beispielsweise durch Jane Jacobs) versucht worden zu beantworten. Sennett stellt sich eine Stadt der Offenheit und Komplexität vor, die es allen Gruppen ermöglicht, hier Lebensraum zu finden. Die Frage ist allerdings, wie man das erreichen und wie man die unterschiedlichen Interessen ausbalancieren kann, damit es eben nicht zu Auseinandersetzungen kommt, wie es täglich durch die Medien vermittelt wird.

Sennet sieht eine Lösung darin, Städtebau und Architektur stärker als bisher von unten her zu entwickeln und Offenheit für noch nicht Bekanntes zu wahren, d.h. insbesondere durch die Bewohner einer Stadt und die Nutzer des Gebauten. Auch das ist nicht neu: Partizipation der Beteiligten und offene Planungsprozesse sind aus der heutigen Planungspraxis nicht wegzudenken. In einem Interview mit der ZEIT bekundet Sennet seine Skepsis gegen über den Politikern, deren Geschäft es sei, Kompromisse zu suchen, statt neue Ideen zu entwickeln. Er glaube auch nicht an Masterpläne: „Die Einstellung, dass alles kontrolliert werden muss, gefällt mir nicht. Ich glaube an eine Stadtplanung, die mehr dem Aussäen auf einem Acker gleicht, auf dass dort etwas von unten wachsen kann.“ Das klingt alles sehr schön, scheint aber doch realitätsfremd zu sein, wenn man die Auseinandersetzungen unterschiedlicher Interessen vor Ort in Augenschein nimmt. Ohne ein Mindestmaß an Zielorientierung und Planung geht es wohl nicht. Und Masterpläne sind heutzutage so angelegt und offen formuliert, dass sie – ändern sich die Voraussetzungen – flexibel gehandhabt und fortgeschrieben werden können.

 Insgesamt ist das Buch ein wichtiger, neuer Anstoß, immer wieder über das Wesen der Stadt heute und in Zukunft nachzudenken. Trotz des Rückgriffs auf die gesamte europäische Kulturgeschichte ist die bereits im Titel des Buches ausgedrückte Forderung nach mehr Offenheit ziemlich weitschweifig und weder neu noch widerspruchsfrei dargelegt. Zweifel sind angesagt, ob „Städte wie Äcker wachsen sollten“. Dagegen stimmt der Rezensent der Überzeugung zu, dass Widersprüche das urbane Leben nicht einengen, sondern doch eher bereichern und auch nicht von der bestgemeinten Planung weggedrückt werden sollten.

Auf einen Blick: Richard Sennet: DIE OFFENE STADT, Eine Ethik des Bauens und des Bewohnens. 400 Seiten s/w Abbildungen, 32,00 Euro. Hanser Verlag Berlin 2018

 

 

 

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